Absicherung der Direktvergabe beflügelt Tarifforderungen

Am 2. November will der Bundesrat die PBefG-Novelle verabschieden – und damit einen Schlussstrich unter eine jahrelange Diskussion ziehen. Die Gewerkschaft Verdi erkennt vor diesem Hintergrund gute Chancen, die Arbeits- und Einkommenssituation ihrer Mitglieder im ÖPNV zu verbessern. Kommunale Arbeitgeber warnen vor überzogenen Forderungen, die eine neuerliche Direktvergabe gefährden könnten.

Der Stadtbusverkehr in Ulm und Neu-Ulm rollt wieder normal – bis auf Widerruf. In drei Wellen hat Verdi seit dem 27. September beim Ulmer Betriebsteil von Schwaben-mobil zum Erzwingungsstreik aufgerufen. Die letzte Aktion endete Samstagabend.
Die Fahrer verlangen, dass ihre Löhne an das Niveau des privaten Tarifvertrages in Baden-Württemberg (TV-WBO) herangeführt werden. Mit einem Stundenlohn von 14,89 EUR würden sie dann immer noch weniger als ihre Fahrerkollegen bei den Stadtwerken Ulm/Neu-Ulm (SWU) verdienen, die nach dem TV Versorgung (TV-V) 17,56 EUR/Std. erhalten.
Die 65-köpfige Schwaben-mobil-Belegschaft ist gefrustet, weil für sie „nur“ der Tarifvertrag des bayerischen Busgewerbes (TV-LBO) gilt. Laut Verdi ergibt sich hier inzwischen ein Unterschied zum TV-WBO von 3 EUR je Stunde.
Zwar haben Verdi und LBO im Juli eine Erhöhung vereinbart, welche diese Spreizung wieder reduziert. Doch bis die Endstufe erreicht ist, dauert es den Beschäftigten viel zu lange.
Schwaben-mobil hat seinen Sitz in Bobingen bei Augsburg. Der frühere Eigentümer und heutige Geschäftsführer Werner Ziegelmeier ist noch mit knapp 49 % an der Firma beteiligt. Bei Demonstrationen in der Stadt und im Rathaus haben die Fahrer ihre Forderung öffentlich gemacht.
Für SWU sind solche Lohnsteigerungen jedoch unakzeptabel: Sie gefährdeten eine erneute Direktvergabe im Jahr 2019, heißt es zur Begründung. Ziemlich deutlich droht der Mehrheitseigentümer damit, dass sein hauseigener Subunternehmer „angesichts der von der Gewerkschaft Verdi erhobenen Lohnforderungen weiter um eine Verlängerung seines Fahrauftrages bangen“ müsse.
Die SWU sehen es so: Nach der Beschlusslage zur PBefG-Novelle würde ein konkurrierender eigenwirtschaftlicher Antrag vorgehen. Dies gelte, wenn die beiden Aufgabenträger eine Direktvergabe nur mit einem Zuschuss für das von Verdi geforderte höhere Lohnniveau zahlen müssten.
„Die aktuellen Lohnforderungen von Verdi sind nur als kurzsichtig zu bezeichnen und schaden den langfristigen Interessen der Arbeitnehmer“, warnte daher der Technikchef von SWU Verkehr, Ingo Wortmann.
Er weist weiter darauf hin, dass das neue PBefG den Aufgabenträger Direktvergaben zwar ermöglicht, sie ihnen aber nicht vorschreibt. Ulm und Neu-Ulm dürften jetzt und auch in Zukunft ausschreiben, wenn sie das wollten. Anders gesagt: Man muss die Städte angesichts eines hohen Defizits im Nahverkehr immer wieder aufs Neue davon überzeugen, dass es für sie günstiger und besser ist, nicht auszuschreiben.
Die Geschäftsführerin von Verdi Ostwürttemberg-Ulm, Maria Winkler, hält diese Argumentation für nicht stichhaltig. Die PBefG-Novelle bekräftige das Recht der Aufgabenträger, Leistungen in Gänze oder in Paketen zu vergeben. „Bei einer Vergabe der SWU-Leistungen en bloc ist die Gefahr eines eigenwirtschaftlichen Gegenangebotes rein theoretischer Natur“, sagte sie zu „ÖPNV aktuell“.
Eine wirkliche Gefahr für eine erneute Direktvergabe erkennt sie vielmehr in der von den beiden Städten und den SWU gewählten Konstruktion.
Als Mehrheitseigentümerin von Schwaben-mobil sei die SWU jetzt nämlich in fremden ÖPNV-Märkten aktiv, als Mitgesellschafter der Verkehrsgesellschaft Gersthofen ebenso wie als Verkehrsunternehmen im Augsburger Verkehrsverbund (AVV). Aus Winklers Sicht ist es also die SWU-Geschäftsführung, die an dem Ast einer neuen Direktvergabe sägt.
Zudem sei zum Jahresende in Baden-Württemberg mit einem Tariftreuegesetz zu rechnen. Auch für diese Situation seien die SWU mit einem bayerischen Tarif im eigenen Haus nicht gut aufgestellt. „Unsere flexible Streiktaktik lässt kurzfristige Reaktionen zu“, sagt Verdi-Sekretärin Winkler und deutet damit Bereitschaft zu weiteren Nadelstich-Streiks an.

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