Angriff auf die Horizontalverteilung
Bei RegMitteln und GVFG sieht sich NRW nachweisbar benachteiligt. Landesverkehrsminister Groschek fordert den Bund daher auf, seine Nahverkehrsmittel aufzustocken statt abzusenken. Dazu stützt er sich unter anderem auf ein Rechtsgutachten der ÖPNV-Zukunftskommission.
Die „dramatische Unterfinanzierung“ des Nahverkehrs im Land wird durch das Landestariftreuegesetz noch verschärft. Allein die Münsterlandkreise gehen von über 4 Mio. EUR Mehrbelastungen aus.
Das rot-grün regierte Nordrhein-Westfalen (NRW) sucht Mitstreiter, um dem Bund eine Erhöhung der Entflechtungsmittel für Verkehrsinvestitionen abzutrotzen. Eine entsprechende Bundesratsinitiative hat Landesverkehrsminister Michael Groschek (SPD) angekündigt. Das Gesamtvolumen müsse von heute 1,34 auf jährlich 1,96 Mrd. EUR steigen, verlangte Groschek vergangenen Freitag, 11. Januar, in Düsseldorf.
Der Revision des Entflechtungsgesetzes werde NRW in der von der schwarz-gelben Bundesregierung eingebrachten Form jedenfalls nicht zustimmen, kündigte der Minister an. Von den bislang 1,34 Mrd. EUR Entflechtungsmitteln jährlich fließen nach seinen Angaben 260 Mio. EUR nach NRW, die Hälfte davon für den ÖPNV.
Zugleich präsentierte der Minister ein Rechtsgutachten für die ÖPNV-Zukunftskommission des Landes, das die Verteilungsschlüssel bei Entflechtungs- und Regionalisierungsmittel (RegMitteln) und damit bei zwei zentralen Finanzierungsinstrumenten angreift. Ziel ist es natürlich, den Schlüssel zugunsten von NRW zu verändern.
In seiner heutigen Form sei der Nahverkehr im Land jedenfalls „dramatisch unterfinanziert“; darin ist sich Groschek mit den Vorsitzenden der ÖPNV-Zukunftskommission Gisela Nacken (Grüne) und Wolfgang Röken (SPD) einig. Dass die Verlierer einer von NRW propagierten neuen Horizontalverteilung Begeisterung für die Groschek’sche Bundesratsinitiative entwickeln werden, ist kaum anzunehmen.
Erstellt wurde das Gutachten von Christian Waldhoff, Professor für Öffentliches und Finanzrecht an der Berliner Humboldt-Universität. Er kommt er zu dem Ergebnis, dass der heutige Schlüssel nicht gerecht und der Bund deswegen verfassungsrechtlich zu einer Reform verpflichtet sei. Sollte es dazu keinen Konsens geben, favorisiert Waldhoff die Bevölkerungsverteilung als Schlüssel. Dieses Prinzip greife bereits bei der Umsatzsteuer, sei mithin „der Finanzverfassung des Grundgesetzes nicht unbekannt“.
NRW würde davon erheblich profitieren: Bei einem Bevölkerungsanteil von 21,8 % erhält das Land bislang lediglich 15,76 % der RegMittel.
Ein Weiter-so-wie-bisher ist laut Gutachter „nicht mit den Erwartungen des Art. 106a GG vereinbar“. Denn in dem alten Horizontalschlüssel spiegelten sich Erwartungen an das Verkehrsaufkommen wider, die von der tatsächlichen demografischen und wirtschaftlichen Entwicklung längst überholt seien.
Weiter lehnt Waldhoff es ab, den Ländern die RegMittel nach dem Bedarf gemäß ihrer Verkehrsverträge auszuschütten. Schließlich gebe es nicht für jede Bestellung einen Bedarf und damit eine Ausgleichspflicht des Bundes.
Die von Groschek festgestellte „dramatische Unterfinanzierung“ des Nahverkehrs wird im Land selbst noch durch das neue Tariftreuegesetz verschärft. So gehen allein die vier Münsterlandkreise davon aus, dass sich ihr Busverkehr um 4,2 Mio. EUR jährlich verteuern würde, müssten die bisherigen Leistungen alle nach dem neuen Gesetz bezahlt werden.