„Einsatz mittelständischer Partner ist kein Selbstzweck“

Wohin bewegt sich der Marktführer im Regionalbusverkehr angesichts von immer mehr Wettbewerb? Wie will DB Regio Bus das Verhältnis zu Aufgabenträgern, Mitarbeitern und Subunternehmern entwickeln? Im Vorfeld der „Regio-Signale 2013“ antwortet Busvorstand Michael Hahn Antwort auf Fragen von Markus Schmidt-Auerbach, Chefredakteur von ÖPNV aktuell.

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) wirft Ihnen vor, die Beschäftigten systematisch in Billigtöchter auszuflaggen und so das Lohnniveau für Busfahrer weiter abzusenken. Was ist dran an den Vorwürfen?

Michael Hahn: Nichts. Wir setzen uns für Tariftreuegesetze in den Ländern und für Betriebsübergänge im Sinne der EU-Verordnung 1370/07 ein. Wir setzen uns außerdem dafür ein, dass es bei Entscheidungen in wettbewerblichen Vergaben nicht nur darum geht, wer am kostengünstigsten anbietet, denn dies geht in der Regel zu Lasten der Beschäftigten. Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass weder alle Aufgabenträger noch alle Wettbewerber diesen Weg mitgehen. Was machen wir also als Unternehmen, bis diese Forderungen Wirklichkeit werden?
Mit unseren Tochtergesellschaften bewegen wir uns im Tarif des privaten Wettbewerbs, wir schaffen also gleiche Ausgangsbedingungen im Bereich der Entgelte. Wir haben sonst in der heutigen Wettbewerbslandschaft keine Chance. In Bayern zum Beispiel müssen wir unsere Tochter am Markt aktivieren, um auch zukünftig bestehen zu können. In Schleswig-Holstein dagegen verschmelzen wir gerade unsere Tochter Heider Stadtverkehr auf die Autokraft. Das kann also in jedem Markt ganz unterschiedlich aussehen.

Würde die Vorgabe von Sozialstandards nach der Verordnung 1370/07 nicht ebenso gut helfen?
 
Hahn: Sozialstandards können helfen, ersetzen aber weder Tariftreue, noch machen sie unsere Abstände zu Wettbewerbern kleiner. Die Vorgaben nach 1370/07 haben die Aufgabenträger in der Hand. Sie müssen wissen, was sie im Bereich des ÖPNV nicht nur für den Kunden wollen, sondern auch für die Beschäftigten in der Branche. Nach der 1370/07 können sie dabei auch auf einen Tarifvertrag referenzieren und damit ein bestimmtes Lohn­niveau festschreiben. Bislang machen sie davon allerdings so gut wie keinen Gebrauch.
 
Sie haben Verluste angesprochen. Zunächst sind Ihnen in Hessen, später auch in Schleswig-Holstein vor allem Konzerne in die Quere gekommen. In Ostwestfalen waren es etwas später auch kommunale Verkehrsunternehmen. Schaut man sich jetzt um, etwa im Saarland, im Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN) oder im Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN), sind nun Mittelständler die gefährlichsten Rivalen von DB Regio Bus. Was läuft schief?
 
Hahn: Gar nichts läuft schief. Wir sind Marktführer. Dieser Platz eins wird angegriffen. In jeder Region und von Verkehrsunternehmen jeder Größe und Eigentümerstruktur. In Hessen sind auch Mittelständler erfolgreich gewesen, jedenfalls kurzfristig. An anderer Stelle, zum Beispiel in Ostdeutschland, sehen wir aktuell Konzernunternehmen, im Südwesten starke Mittelständler. Die Wettbewerbslandschaft ist sehr heterogen. Ob wir gewinnen, hat zu allererst mit unserer Wettbewerbsfähigkeit zu tun und unsere Chancen werden vielleicht mit hohen Volumen besser.

Sie werben also bei den Aufgabenträgern für große Vergabevolumina?
 
Hahn: Nein. Wir werben für kundengerechten, fairen Wettbewerb. Als Dienstleister können wir nicht fordern, aber wenn wir in Diskussionen von Aufgabenträgern gefragt werden, zu welcher Art der Vergaben wir raten, sagen wir: Gucken Sie sich jeden Einzelfall an.
Wettbewerb muss Verkehrsdienstleistungen nicht billiger machen. Gucken Sie nach Schleswig-Holstein. Gucken Sie in den Rhein-Neckar-Raum. Oder gucken Sie nach Hessen. In Nordhessen haben sich zuletzt Preissteigerungen von 20 bis 30 % ergeben. Das können die Kreise nicht mehr bezahlen. Sie heben Vergaben auf und verhandeln nach. Unser Markt hat noch nicht lange Erfahrungen mit Wettbewerb. Jetzt ist deshalb ein guter Zeitpunkt eine Zwischenbilanz zu ziehen und zu diskutieren, was ist gut, was muss man besser machen.
Als Instrumente stehen dafür funktionale Ausschreibungen zur Verfügung, aber natürlich auch die klassische eigenwirtschaftliche Genehmigung. Soweit es die 1370/07 zulässt, sind natürlich auch Verhandlungsverfahren denkbar.
Man hat uns vielfach vorgeworfen, wir würden die Kommunen in solchen Gesprächen über das Wettbewerbsdesign über den Tisch ziehen. Zum Glück sind diese Vorbehalte nicht mehr da.

Nehmen wir an, ein Branchentarifvertrag kommt, in Schweden oder den Niederlanden ist er ja schon Realität. Können Sie ihr Geschäftsmodell dann noch erfolgreich weiterführen, das im hohen Maße auf Subunternehmer setzt?

Hahn: Unser Geschäftsmodell ist nicht in Stein gemeißelt. Wir schauen schon seit einiger Zeit, was hat sich bewährt und was muss sich ändern. Der Einsatz mittelständischer Partner ist kein Selbstzweck. Er wird dort vorgenommen, wo es betrieblich und wirtschaftlich passt. Es geht hier nicht nur um Lohnkosten. Mittelständler sind darüber hinaus oft auch Konzessionspartner. Andere Modelle sind denkbar.
Ein Branchentarifvertrag oder eine ähnliche Regelung, die die regionalen Spezifika berücksichtigt, zum Beispiel ob es um Verkehr im Münchner Umland, in der Uckermark oder auf Sylt geht, sind vorstellbar. Mir ist dabei ein anderer Aspekt wichtig: Angesichts des wachsenden Fahrermangels ist anzunehmen, dass der Lohnkostenvorteil des Mittelstands
ohnehin schrumpft.

Auf Ihrer Branchen-Veranstaltung „Regio-Signale“ im November 2011 haben Sie angekündigt, sich auch aus defizitären eigenwirtschaftlichen Verkehren zurückzuziehen. Welche Bilanz werden Sie ein Jahr später, am 12. November 2012, in Offenbach in diesem Punkt ziehen?
 
Hahn: In jeder Region stand seitdem eine Vielzahl von Genehmigungen zur Wiederbe­antragung an. An einigen Stellen haben wir Gespräche geführt, wie man aus den Konzessionen, die gestern defizitär waren, morgen wieder auskömmliche Verkehre machen kann, zum Beispiel durch Leistungsreduzierung.  

Aber immerhin 12 % dieser Verkehre gingen verloren, ist aus dem Konzern zu erfahren. Warum rutschen so viele Verkehre dauerhaft aus der Eigenwirtschaftlichkeit?
 
Hahn: Wenn jeder zehnte Verkehr dabei verloren ging, dann ist das ein Erfolg für unsere Kunden und uns. Denn es zeigt, dass es auf beiden Seiten Bedarf einer Nachjustierung gab. Wir haben eine neue Ehrlichkeit in das Geschäft gebracht.
Aber es stimmt: Wir müssen uns auf weniger Leistungen einstellen, auf weniger Finanzierungsinstrumente und Verhandlungen zu Einnahmeaufteilungen, die zulasten der Flächenverkehre gehen. Gleichzeitig steigen die Kosten weiter. Deshalb müssen wir noch flexibler werden. Das gilt für unsere Fahrzeugflotte, unseren Personaleinsatz und unsere Leistungen wie RBL.

Unter dem früheren DB-Chef Hartmut Mehdorn hatten Visitenkarten im Konzern nur eine begrenzte Halbwertszeit. Daran scheint sich auch unter seinem Nachfolger Rüdiger Grube wenig geändert zu haben. Jedenfalls hört man viel, dass Sie neue Regionalstrukturen aufrichten und Hessen wieder als eigene Region führen wollen. Was ist dran? 

Hahn: Unsere Personalentscheidungen sind Ihren Lesern ja immer sehr frühzeitig bekannt, insofern kann ich hier wenig Neues berichten. Wir haben mit den Kollegen Friedrich-Wilhelm Rademacher, Bernd Wölfel und Alexander Möller drei neue Chefs in den Regionen Hessen, Südost/Nordost und Nord. Zusammen mit den Kollegen der anderen Regionen werden die drei unser Geschäft weiter voranbringen.
Innerhalb der Regionen stärken wir die einzelnen Ressorts, schaffen neue Freiräume, um noch näher an den Märkten zu sein und machen uns auch so wettbewerbsfähiger.  

Mit Guido Verhoefen haben Sie einen neuen Leiter Marketing und Geschäftsentwicklung bekommen. Welche Marktstrategie wird er mit Ihnen verfolgen? 

Hahn: Guido Verhoefen kommt von der Schiene. Er bringt Erfahrungen bei wettbewerblichen Verfahren mit und zu dem zentralen Thema Einnahmeaufteilung. Beides werden Schwerpunkte sein – genauso wie die Weiterentwicklung unseres Geschäfts vom sicheren Schülertransporteur zum innovativen Mobilitätsmanager, ohne dabei unser Kerngeschäft zu vernachlässigen.
Wir wollen alles können, was in unserem Geschäft gute Arbeitsplätze sichert und angemessene Rendite bringt. Das können Freistellungsverkehre, Gelegenheitsverkehre oder Werksverkehre wie jetzt bei VW in Wolfsburg sein.

Wechseln wir zum Ende von den kurzen zu den langen Distanzen. Kommt mit der Liberalisierung des Fernbusverkehrs das Ende für IC-Linien und ein Schienenersatzverkehr per DB-Bus? 

Hahn: Nein. Wir werden nicht ersetzen, sondern ergänzen.  

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